Cognac steckt in einer Schaffenskrise. Armagnac behalten die Franzosen für sich. Deutscher Weinbrand kommt nicht so recht in Tritt, allein der Spanische Branntwein punktet zunehmend. War es das, oder gibt es nenneswerte Konkurrenz aus dem Osten? Unser Autor Robert Schröter trinkt sich durch die Gewölbe zwischen beiden Kaukasus - vergeblich?
Wie bereits im kürzlich erschienenen Artikel über die Barszene Jerewans berichtet, wird bereits seit geschätzt 6.200 Jahren am Fuße des Ararat Wein angebaut und kultiviert. Die Ararat Valley genannten Hänge des beeindruckend aus der Hochebene stechenden Berges tragen auch heute noch reichlich Früchte. Und gelten als die Wiege des Weinbaus. Die Hänge herab fließt der Most geradezu. Vom knapp in der Türkei gelegenen Gipfel ergießt sich das Füllhorn der Natur mit allerlei Kern- und Steinobst sowie Weintrauben in Hülle und Fülle.
Wie in meiner Bartour bereits angerissen, sind die in Armenien angebauten Trauben größtenteils unüblich für unsere Ohren: Areni, Kangun, Rkatsiteli, Karmrashad oder Voskehat gehören zu den meistverwendeten Sorten. Während Areni Spitzen-Rotweine hervorbringt ist Rkatsiteli eine weiße Traube, auf den auch internationale Winzer ein interessiertes Auge werfen. Kangun hingegen wurde zu Sowjetzeiten gezielt für die Brandyherstellung gezüchtet.
Cognac? Konjak?
Gerne werden zwischen Transnistrien und Kaspischem Meer Branntweine jeglicher Couleur als Cognac bezeichnet. Selbst auf den Etiketten findet sich oft das kirillisch geschriebene Wort “Konjak”. Wie ist das möglich, da wir doch um die geografische Definition des Cognac wissen?
Dies aufzulösen benötigt einiges historisches Graben bis ins ausgehende 19. Jahrhundert. Denn die Wirren begannen mit einem im Marketing talentierten Russen namens Shustoff.
Aufgrund seines Erfolges mit der Brandy-Herstellung und dem Aufbau der international agierenden Ararat Brandy Company haben Destillate auch in Armenien im großen Maßstab Fuß fassen können. Bis dahin wurden sie eher für den lokalen Gebrauch in Kleinmengen gebrannt. In der spirituosen Ostblockfolklore wird gerne wiederholt, dass seine Branntwein-Etikettierung als Cognac legal ist und auf eine Verkostung im Jahre 1900 zurück geht. Damals wurde bei der Pariser Weltausstellung bei einer Blindverkostung sein Brand als der beste aller Weinbrände ausgezeichnet und ließ damit auch alle originären Cognacs hinter sich. Woraufhin ihm gestattet wurde, sein Produkt dergestalt zu bezeichnen. So weit, so gut. Vladimir Zuralev erklärt uns jedoch, dass im kirillischen Sprachraum Bezeichnungen wie Шампанское (Champagne), Шартрез (Chartreuse), Портвейн (Portwine), Херес (Jerez) nicht unüblich sind, es aber nur selten in Latein etikettiert zu sehen ist. Noch viel erhellender ist, was man in den Führungen der Armenischen oder auch Ukrainischen Branntweinhäuser nicht mehr hört: Dass die Appellation für Cognac erst 1906 erreicht und erst 1936 geografisch finalisiert wurde. Auch Reinhard Pohorec gibt uns Einblick in das Cocgnac Council BNIC und deren Bauchschmerzen mit dieser, nun: sowjetischen Spitzbubenlösung” “Es liegt einiges im Argen, oftmals steht der Leitspruch „Wo kein Kläger, da kein Richter“. Und in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion nimmt man es halt nicht immer ganz so genau mit dem коньяк wie entlang des Flusses Charente.”
Neue Wege
Geschickt entziehen sich also die östlichsten Ränder Europas der Jurisdiktion. Und so finden wir heute nicht nur Shustoffs Namen auf vielen Flaschen des seit langem in Odessa angefüllten Brandes, sondern eben auch das Wort “Konjak”.
Doch auch innovative, ambitionierte Wege werden beschritten. So durfte ich eine vor den Toren Jerewans versteckte Destillerie besuchen, welche sich auf Calvados und Brandy spezialisiert. Nur wenige Kilometer entfernt von für Führungen auf Hochglanz gebrachte Weinfabriken findet sich hier in der Destillerie “Triumphbogen” eine Szene wie aus dem Film. Eher handfest zusammengeschusterte Gebäude und Lagerflächen wirken teils vermüllt. Beherbergen jedoch liebevoll gepflegte Destillationapparaturen. Welche teils vollkommen aus Glas bestehen und noch in Ländern gegossen wurden, die es seit fast dreißig Jahren nicht mehr gibt. Teile der Apparaturen werden mit alten Armeejacken isoliert, der Brennmeister spielt neben den Anlagen besoffen im Unterhemd Karten. Und die Kalaschnikoffs hängen zur Sicherheit griffbereit im Büro. “Falls Aserbaidschan wieder angreift”, wird mir erklärt.
Doch produziert dieser in einer Zeitblase gefangene Ort wunderbare Apfel-, Estragon oder Weinbrände. Welche durch aufwändige Frostfiltration geklärt und zunehmend auch im Fass ausgebaut werden. Und in kleinen Mengen Ihren Weg in die Kaufhallen des Landes finden. Die Daumen sind gedrückt, dass diese mit Herzblut und viel Erfahrung gemachten Tropfen auch einmal Ihren Weg zu uns finden dürfen!
Ganz am anderen Ende der Skala findet sich das familiengeführte, lokale Schwergewicht Armenian Wine. Welche mit hohem Millionenbudget eine komplette Chalvignac-Großanlage zur Produktion von Wein und Brand aus Frankreich einkauften. Inklusive einer Abfüllanlage für bis zu 10.000 Flaschen pro Stunde. Und sich sogar dauerhafte Consultingdienste des Önologen Olivier Chapt sicherten.
Gerne wird in großen Gruppen durch die piekfein aufbereiteten Hallen geführt. Und es wird schnell klar, dass hier ein Teil vom Ararat-Kuchen attackiert werden soll. Wie solide diese Abfüllungen werden, wird sich mit den kommenden Fassgenerationen zeigen. Welche sowohl in Französischer als auch Karabach-Eiche schlummern.
Oghi - der Unbekannte
Ein ausschließlich Armenischer Brand nennt sich hingegen Oghi (sprich: Ouhrri).
Ohne klar definierte Rohstoffe, Destillation, Lagerung oder Lagerdauer präsentiert sich dieser - manchmal fälschlich als “Armenischer Wodka” betitelte - Brand als unglaublich vielfältig. Er wird aus lokalen Früchten wie Aprikosen, hier allerorts verfügbaren Kornelkirschen oder Maulbeeren, meist jedoch Trauben gebrannt. Sowohl Trester als auch fricher Fruchtsaft werden verarbeitet. Mal wird in Holz, mal in Stahl, oft jedoch nicht gelagert. Gernewird biologisch filtriert, beispielsweise mit Milch. Dementsprechend vielseitig ist die Geschmackspalette.
Im zungenbrechenden Ort Yeghegnadzor lernte ich beispielsweise den internationale Medaillen einsammelnden, handwerklich produzierenden Weinbauern von Old Bridge kennen. Sein in Kleinserie aus 100% Areni-Trauben hergestellter Oghi nutzt zu 55% Traubensaft, wird zur Fermentation und bei der Abfüllung mit null Prozent Zucker versetzt und lagert sieben Jahre in Fässern der lokalen Karabach-Eiche. Heraus kommt ein wunderbar strukturierter, weicher Trester-Brandy mit beeindruckend langanhaltendem Finish. Die 55% Trinkstärke werden von den dezent vanilligen Aromen der Karabacheiche und dank der Milchfiltration elegant eingebunden. Und wären in Europa Medaillenanwärter. 700ml für unter €20 im Laden des Winzers runden das Bild ab und lassen des Gastronomen Augen nicht nur gustatorisch, sondern auch finanziell feucht werden.
Fazit
Armenien bietet top Produkte, die hier und da (nicht nur rechtliche Etikettierungs-) Kanten aufweisen, aber trotzdem mitunter Spitzenprodukte sind. Und trotz etwas höherer Preise als Ihre Ukrainischen oder Transnistrischen Konkurrenten aufgrund Ihres sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnisses für hiesige Gastronomen die Recherche lohnen!
Dieser Artikel erschien zuerst Dezember 2018 in der Mixology Online.
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