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Bartour Berner Land - Cocktailspitz inmitten der Bergspitz’

Es sind goldene Jahre für die Schweizer Barszene. Zürich und Basel traten mit Wucht und Verve auf das internationale Podest. Und machen Lust auf weitere Neuentdeckungen südlich des Rheins. Daher schnüffelte ich dieses mal in Bern herum. Ein Stimmungsbild zwischen Käse, Idylle und sich lange anbahnendem Aufbruch.


Fährt man aus Deutschland in die Schweiz, ist sie zuerst überraschend flach. So richtig alpin wird es erst südlich von Bern. Basel und Zürich befriedigten meine Bergleidenschaft nicht. Darf sie im Berner Land genährt werden? Gesellt sich in der de facto Hauptstadt der Eidgenossenschaft zu Bergspitz’ auch noch ein Cocktailspitz genanntes Martiniglas? Ohne große Umschweife wird also nach dem obligatorischen Besuchs diverser Dome und Steilküsten der als Weltkulturerbe gelisteten Innenstadt in die nächtliche Barwelt abgeschweift.


Das für alle Bierliebhaber wirklich empfehlenswerten Alte Tramdepot direkt neben dem Bärenzwinger hilft mit saisonalem Roggenbier wunderbar fruchtig und doch würzig niedrigalkoholisch in den Sonnenuntergang. Hier werden Portionen ab 200ml ausgeschenkt und ich probiere mich ober- als auch untergärig durch die im Keller gebrauten, wirklich sauber konstruierten Biere. Trotz schönem Ort und tollem Bier zieht es mich jedoch gen Mixgetränk. Also fix bezahlt und über eine der elegant den Aare-Abgrund überspannenden Brücken zurück in die Innenstadt. Ich suche die Bar Taube, welche sich direkt als Volltreffer heraus stellt. Wie mit dem Pfeil durch den Apfel auf dem Kopf, sozusagen. Nur wenige Minuten nach der Öffnung schreite ich durch die Tür, Kerzen und Musik sind noch nicht an. Trotzdem werde ich warm empfangen. Das mir unterbreitete Menü ließt sich eher süß und etwas unreif. Doch entscheide ich michdank guter Beratung für Bourbon, Frangelico und Schweizer Vanillelikör von Tempus Fugit. Noch während der Zubereitung auf großem Eis füllt sich der Laden. Und bereits 20 Minuten nach Eröffnung sind die Hälfte aller Sitzplätze belegt. Und ein sich als überraschend erwachsen, mit Nuss und Vanille nur nuancierter Bourbon steht angenehm erwachsen in meiner Hand. Bier und Bourbon machen ein hervorragendes Bukowski-Gedeck.

Es ist noch früh am Abend und wohl Zeit, die ersten Drinks mit lokaler Wurst und Fondue in einem verstecktem Kleinrestaurant in der nächsten Gasse zu kontern. Bern zählt nur 140.000 Einwohner, die Innenstadt ist unglaublich konzentriert. Längs durchziehen, mit Häusern und Geschäften dicht an dicht gesteckt, Gassen den von der Aare eng umschlungenen Felsvorsprung, auf welchem die Innenstadt wehrhaft und romantisch thront.


Derlei gestärkt entscheide ich mich für ein Dessert im stilistisch einzigartigen Kornhaus. Im historischen Ort des Korn speicherns dinniert man hier wie im schönsten Hollywoodklischee des Alten Europa. Das Essen ist solide und viele Zutaten und auch Getränke kommen aus der Region. Die gerühmte Swissness wird auch hier gelebt. Heute ist mir allerdings kein Platz vergönnt, es ist trotz hilfsbereitem Oberkellner ausreserviert. in der dazu gehörigen Bar auf der Empore sehe ich den uninspirierten Refrain der Mules und Martinis, getüncht in buntem LED-Licht der finanzkräftigeren Spirituosenpartner. Ein weiteres Mal beunruhigend, wie stilunsicher eine Bar in solch einem stilsicheren Restaurant um Charakter ringt, trotz früher solidem Programm.

“Grüzi mit’nand” sage ich da lieber ider nahe gelegenen Abflugbar. Sie hält in Bern seit längerem die Cocktail-Fahne hoch.

Die Gastfreundschaft wird dosiert eingesetzt. Ein Zeichen einer oft vollen Bar, meine ich. Doch schnell bin ich als Berliner enttarnt und die Atmosphäre in den alten, unterirdischen Tresorgewölben wird zügig herzlicher. Es dauert auch nicht lange und der Keller ist gesteckt voll mit diesunddas-Trinkenden und Bartender Adrian hat alle Hände voll zu tun. Ich halte mich nach Fondue und Wurst an meinem angenehm herzhaften Fish House Punch fest und bemerke, hier wurden charmant die (beheizten) Toiletten einfach im Zwischengeschoss zwischen Straßenebene und Barkeller in den Fels gehauen. Ein schöner Kniff, um alles potenziell Unangenehme von Toiletten vor der Tür zu belassen. Ich verabschiede mich durch das Gewühl und schlendere trotz noch früher Stunde durch plötzlich fast menschleere Gassen. In Berlin nennt man das “die Bordsteine hochklappen” - und dermaßen hochgeklappt sah ich sie 20 Uhr nur selten!


Auf dem Weg zum Bahnhof kehre ich noch auf dem Casinoplatz in das kurz vor Weihnachten eröffneten Asino. Das “Eselchen” wartet auf kleinstem Platz mit ungewöhnlichen Inneneinrichtungsmaterialien, Licht, Gästen und Drinks auf. Hier scheint sich die drinkaffine Jung-Bohéme wohl zu fühlen. Später wird mir Geschäftsführer und langjähriger Berner Bartender Silvan Hug erklären, dass sich zur jetzigen Zeit des Apéro alle Schweizer in den Restaurants oder zu Hause die Bäuche voll schlagen. Und dass sich deswegen aktuell nur 20 Perosnen in der für 30 Gäste zugelassenen Bar platzierten. Zwei Bartender sorgen für schnellen Service auch ungewöhnlicher Getränke. So genoss ich bis dato in Bern noch nicht entdecktes, geröstetes Sesamöl in meinem “Rye No 1”. Eine Rotavap im Keller ermöglicht die eigene Redestilation von Grüntee Chartreuse, Steinpilzrye in meinem Drink.


Obwohl jeder noch so malerische Abend irgendwann einmal zu Ende gehen muss- dieser tut es noch nicht!

Ich schwebe aus dem rosa Licht des Asino und nehme für 20 Minuten einen Zug zum nächsten Städtchen: Thun. Malerisch liegt es am Thuner See und bietet neben dem Blick auf die berühmten Bergspitzen Jungfrau, Eiger, Mönch auch gastronomisch und kulturell einiges. Es ist sowohl Ort meines Hotels als auch einer überaus entdeckenswerten Bar. Denn die Atelier Classic Bar gleich gegenüber vom Rathaus bietet ein breites Spektrum auf höchstem Niveau. Obwohl es im Sommer ein Plätzchen an der Sonne ermöglicht, liegt es eigentlich in den alten Gewölben der städtischen Keller. Hochwertige Drinks mit und ohne Alkohol sind garantiert durch den national und international vielfach ausgezeichneten Ivan Urech. Sein junges Team ist top ausgebildet. Unbekannterweise verdiente sich hier beispielsweise die nun im Basler Angels Share weiter durchstartende Rebekka Anna Salzmann ihre Sporen.

Ein Billardzimmer im hinteren Gewölbe, ein kuratiertes Menü mit Augenzwinkern und die Fähigkeit auch mit handfesteren Bergbewohnern gekonnt umzugehen ließ hier eine Insel des stimmungsvollen Hochgenusses entstehen. Nur wenige hundert Meter von der kristallklaren, fischdurchsetzten Aare entfernt gönne ich mir hier daher erst “Mezcal, Holunder, Vanille” und später “Traube, Traube, Traube - und ein wenig Kokos” - traumhaft!



Als Fazit sollte jeder Wintersportfreund mit Sinn für Genuss Thun und Bern auf die Liste setzen. Per ICE gelangt man aus vielen deutschen Großstädten ohne Umstieg hier an. Und genießt mit Ski, Martini und Fondue das süße Leben voll Genuss und Gemächlichkeit!

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