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Kochsalz – eine Lösung gegen bitter?

Salz ist seit jeher ein Kernbestandteil der westlichen Küche und findet seine Anwendung in zahlreichen Speisen. Neue Erkenntnisse implizieren jedoch, dass es nicht nur als Geschmacksverstärker funktioniert. Ich schaue genauer hin: Kann Salz Cocktails mehr geben als nur “salzig”?


Suche nach Balance

Seit längerem liegt es dem Autoren am Herzen, ein Gegengewicht zu Bitterkeit zu finden. Denn sowohl süß und sauer, als auch herzhaft können ausbalanciert werden. Doch bittere Ingredenzien stechen bei Überdosierung unabänderlich heraus. Und obwohl zahlreiche Bitters, Aperitive und Digestive grenzenlose Erweiterung unserer Möglichkeiten hinter der Bar bieten, wäre manchmal auch eine leichtere Bitternote wünschenswert. Nutzt man Bitters für jene Note, kann schlicht die Dosierung verringert werden. Doch wie löst man diese Aufgabe bei einem Negroni oder Sweet Manhattan?

Forschungen deuten zunehmend darauf hin, dass Kochsalz in Verbindung mit anderen Geschmäckern nicht nur geschmacksverstärkend, sondern auch geschmacksverändernd wirken kann. Bemerkenswerterweise sind besonders bittere Noten davon betroffen. Können wir uns diese Erkenntnisse auch in Getränken zu Nutze machen?




Testreihe

Die Dosierung von Salz fällt sehr leicht zu stark aus und mündet schnell in Lakegeschmack. Was das Getränk unrettbar ruiniert. Um dies besser steuern zu können (und für eine bessere Lösung des Salzes) wurde eine 10%ige Kochsalzlösung aus Seesalz angerichtet und mit Negroni, Sweet Manhattan und Daiquiri in Dosierungen von 1ml, 2ml und 4ml versetzt. Schnell wird erkannt, dass schon wenige Milliliter für ein bemerkenswertes Ergebnis ausreichen. Eine höhere Dosierung ist also nicht nötig. Der Einfachheit halber und um Vergleiche besser zu ermöglichen, soll hier jedoch immer die hinzugefügte Prozentzahl reinen Salzes am Gesamtgetränk angegeben werden.

Der Negroni wurde mit Bombay Sapphire und Martini Rosso bereitet und bereits die ersten Versuche lassen den Charakter von Campari und dessen Orangennote deutlich besser in Erscheinung treten. Schon mit 0,2% Salz schmeckt der Negroni reichhaltiger und süßer, des Wermuts und Gins Gewürze treten besser in Erscheinung. Bis zu einer Konzentration von knapp 0,5% tritt die Bitterkeit in den Hintergrund, während Zitrus offensichtlicher wird. Gleichzeitig steigt die gefühlte Viskosität und ab ca. 0,5% nimmt man einen “ungewöhnlichen” Geschmack wahr, welcher beginnt, das Getränk unangenehm zu beeinflussen. Überraschenderweise tritt die salzige Note bei Verdünnung mit Wasser nicht so stark in den Hintergrund, wie erwartet, sondern scheint sie bei höheren Salzkonzentration sogar eher zu unterstreichen. Der selbe Versuch wäre vielleicht auch mit Gin Mare aufschlussreich…


Der süffigste Manhattan

Schon im ersten Experiment wird also eine deutliche Reduzierung der Bitterkeit und unterstrichene Süße festgestellt. Wie also reagiert Whisky auf diese Behandlung?

Wir entscheiden uns für einen Manhattan mit Schwerpunkt auf süßen Wermut. Schliesslich liegt unser Fokus auf Behandlung von bitter, nicht trocken.

Und auch hier stellt sich im schon 0,2%-Bereich eine deutliche Wandlung des Getränkes ein. Er wird weicher auf der Zunge, Bitterkeit ist kaum mehr zu schmecken. Der Sweet Manhattan verliert seine Kanten und süße Noten schmecken deutlicher heraus. “Süffig” und “einfach zu trinken” sind oft für ihn genutze Attribute, selbst von Nicht-Whiskyliebhabern. Bei 0,5% stellen wir langsam eine Salznote auf den Lippen fest, der genutzte Bulleit Bourbon tritt leider immer stärker in den Hintergrund. Ab 0,9% riecht der Drink langsam etwas staubig, erinnernd an eine lang geschlossene Salzdose – ploetzlich geoeffnet. Auch verliert er bei dieser Konzentration an Komplexität und geschmacklicher Fülle. Bitterkeit und Süße ändern sich kaum noch und so stellen wir fest: 0,5% sind hier genug.

Generell erscheinen diese Zahlen unglaublich klein. Doch handelt es sich dabei immer um Größenordnungen bis 5ml Salzlösung pro Getränk. Mengen, welche leicht mit, z.B., einer medizinischen Spritze abgemessen werden können.


Salz und Säure

Margaritas mit einem Salzrand zu versehen gehört zur Tradition. Doch entscheiden wir uns für einen Daiquiri als Versuchsobjekt, denn Margaritas werden sowieso mit Salz genossen. Wir nutzen Flor De Cana 4 Jahre silber und frisch gepressten Limettensaft. Nach Zugabe von 0,2% Salz ändert sich des Daiquiris Aroma bereits merklich. Er riecht zwar stärker, doch auch verschlossener, nicht ganz so frisch. Gleichzeitig tritt die Süße des Zuckers nicht verstärkt hervor, was im Gegensatz zu den vorigen Erkenntnissen mit Campari und Wermut steht. Auch ist der Rumgeschmack weniger präsent, er tritt in den Hintergrund. Bei 0,5% wird der Geschmack generell stärker. Zitrus wird offensichtlicher, verliert jedoch seinen sauren Geschmack und die damit empfundene Frische. Bei 0,9% tritt Salz generell nur noch als Geschmacksverstärker, jedoch nicht mehr als –verbesserer auf. Die Säure lässt das Salz noch immer nicht deutlich hervor schmecken, doch verliert das Getränk bei dieser Konzentration seine Eleganz und Leichtigkeit. Es ist zu viel des Guten.


Erkenntnis

Wir stellen demnach fest, dass ca. 0,25% Salzkonzentration hochprozentigen Drinks zu mehr Balance und Reichtum verhelfen. Bitterkeit kann so tatsächlich entgegengewirkt und sonst übertönte Nuancen angenehm hervorgehoben werden.

Ebenso können bittere Zitrussäfte (z.B. durch zu starkes Pressen) durch Salz korrigiert werden. Doch unterdrückt das Salz auf unserer Zunge ab 0,25% auch das Gefühl des Sauren, erfrischend azidiven. Was ein deutlicher Nachteil ist.


Unter http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK50958/ findet sich ein sehr guter (englischer) Abriss des Buches “Strategies to Reduce Sodium Intake in the United States”, welches die in unserem Experiment erzielten Erkenntnisse bestätigt und noch tiefergehendes Wissen vermittelt.


Dieser Artikel erschien zum ersten Mal im September 2014 in der Mixology Online.

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