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Schütter geschüttelt im Schurkenstaat

Die Neugier der Barszene kennt keine Grenzen und treibt unsere Autoren über jede einzelne davon. Auch vor Nordkorea, dem isoliertesten Land der Welt, wird nicht halt gemacht. Eine Bartour mit totalitären Tränken und militanten Martinis – oder doch nicht? Ich suchte nach den Tresen Nordkoreas.



Kim and Him.


Im Leipzig und Ostberlin der 80er und 90er Jahre aufgewachsen, ist ein Besuch in der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK) für mich eine wahre Zeitreise in die eigene Kindheit. Propaganda, Straßen, Verkehrsmittel und Plattenbauten lassen staunend in Erinnerungen schwelgen, die nur noch von Familienbildern bekannt waren. Alte Tatra-Straßenbahnen und ausgemusterte Berliner U-Bahnwaggons rumpeln noch altersmüde über Pjöngjangs Schienen und erinnern an längst vergangene Fahrten zur Schule.


Hotel Alcatraz


Obwohl die nordkoreanischen Führer der staatlichen Tourismusbehörde uns auf unserer Koreareise gerne die sozialistischen Errungenschaften auf dem Gebiet des Personenverkehres präsentieren, werden wir fast ausschließlich in einem für uns bereitgestellten, topmodernen Bus an alle Stätten gefahren. Innerhalb Pjöngjangs übernachten wir im berühmten – manchmal als Hotel Alcatraz bezeichneten – Hotel Yanggakdo und beginnen die Bartour in der hoteleigenen Foyerbar. Im Haus selbst gebrautes, überraschend dunkles „Pils“ vom Fass und nordkoreanischer Shochu aus Gerste finden den Weg in unsere Kehlen. Von Bier mit deutschem Namen, nach holländischer Art in Russland gebraut und für den Export nach Australien gedacht, lassen wir erst einmal die Finger.

Cocktails sind hier leider Fehlanzeige. Auch die freundlichen Angebote, den lokalen Shochu mit Grünteebrause oder ähnlichem zu mixen, lehnen wir zunächst lieber dankend ab. Allerdings werden wir auf das gehobene Restaurant im Dachgeschoss des Hotels hingewiesen. Und da unsere Führer trotz hiesiger (natürlich beinahe makelloser) Kriminalstatistik Angst um unser Wohlbefinden haben und uns deutlich bitten, nicht den Hotelkomplex zu verlassen, entschließen wir uns kurzerhand für das sich drehende Restaurant in der 47. Etage.


Ausblick über Errungenschaften der Juche-Ideologie


Im obersten Stockwerk angekommen, empfängt uns der einzigartige, in Mitteleuropa beinahe ausgestorbene Flair und Geruch der 60er Jahre. Gerne setzen wir uns an einen Tisch mit gelber Plastiktischdecke und lassen das Panorama Pjöngjangs gemächlich an uns vorbei ziehen, das nach Sonnenuntergang größtenteils in Dunkelheit gehüllt ist. Daher stechen die Denkmäler für Kim Il Sung und Kim Jong-il, für die Juche-Ideologie, der Kim Il-Sung-Platz und der Volkspalast des Studiums, mit gleißender Beleuchtung umso stärker hervor. Wir erkundigen uns nach einer Getränkekarte und bekommen mündlich Shochu, Wein und Bier angeboten. Immerhin kommt alles aus der Region.

Auf die Frage nach gemischten Getränken werden wir gerne mit chinesischen Brausen und Säften bekannt gemacht. Uns dämmert, dass Zucker in der DVRK weiterhin ein Luxusgut ist. Und bei unseren Exkursionen ins Ländliche erkennen wir auch noch immer den … nun, Produktionsschwerpunkt auf Grundnahrungsstoffe. Jegliche Zitrusfrucht oder Südfrüchte sind darin nicht inbegriffen oder können der eher kargen koreanischen Halbinsel nicht abgetrotzt werden. Unsere Aussichten auf gehobene Trinkgenüsse trüben sich ein, doch geben wir noch nicht auf.


Im Auge der Schlange


Am folgenden Tag geht es in die entmilitarisierte Zone. Abgesehen von diversen historischen Stätten, die hier noch zu besichtigen sind, existiert auch noch ein Offizierskasino, in das wir zur Mittagspause einkehren dürfen. Das Essen ist gut und gerne schenkt uns eine Offizierin zackig Verdauungsschnäpse am Tresen ein. Auch hier ist geschmackliche Verfeinerung leider ebenso angezeigt wie abwesend. Also begnügen wir uns mit dem Fakt, zum ersten Mal vom Militär im Dienst bedient zu werden und nehmen darauf auch gleich noch eine Runde.

Übernachtet wird danach in der nahe gelegenen, aus der Presse bekannten Stadt Kaesong. Von einem Fahrradklingelgezwitscher umgeben, wandeln wir durch die nachtschwarze Innenstadt und finden nur mit gedimmten Taschenlampen bewaffnet unseren Weg. Die einzigen beleuchteten Fixpunkte hier sind die Statue des Ewigen Presidenten Kim Il-Sung und die Messe unseres Quartiers. Auch hier gibt es wieder reichhaltig zu essen, abendliche Ausgangssperre und eine Hotelbar. Beim löffeln unserer Hundefleischsuppe fällt mehrfach der Strom aus und so sind wir schnell bereit für den nächsten Drink. Hier, im Süden der Volksrepublik, sind Schlangen eine angesehene Geschmacks- und Potenzquelle und so lassen wir uns fröhlich Schlangenschnaps die Kehlen hinunter, auf das Hundefleisch rinnen. Geschmacklich erinnert auch dieser Trunk, dessen Herstellungweise wir leider nicht in Erfahrung bringen können, an überaus erdigen, trockenen Genever oder Okinawas Awamori. Überraschend bietet auch der hiesige Gerstenshochu ähnliche Geschmacksprofile und so haben wir wohl auch die Basis des Schlangenschnapses deduziert.


Bier hingegen gibt es in mehreren Variationen, wie wir in der darauf folgenden Nacht in einer Bierhalle in Pjöngjang erkennen können. Sechs verschiedene Sorten, von Schwarz- über Reisbier bis Hefe, werden hier angeblich selbst gebraut. Sie alle sind bekömmlich, doch werden scheinbar nur für diese eine Kneipe hergestellt – vielleicht nur für uns Besucher? Abschließend halten wir also fest, dass die DVRK menschlich und historisch klar ein einzigartiges Ziel ist, welches einen innerlich manchmal auch an die eigenen Grenzen stoßen lässt. Natürlich hat die intensive Isolation nicht zu interessanten Ausprägungen einer Getränkekultur geführt. Trinken kann man nur in designierten (Hotel-)Bars, welche oft den Namen nicht verdienen. Zu spärlichem Bier- und Shochuangebot gibt es hier keine empfehlenswerten Alternativen und damit ist Nordkorea von jenem Blickwinkel aus leider keinerlei Reise wert.

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